Blogbeitrag Laienforschung
Vor ein paar Tagen hatte ich die Aufgabe, über die wissenschaftlichen Anfänge meines Kollegen Carl-Hans Hauptmeyer zu berichten. Es ging vornehmlich um seine Engagement für die Weiterbildung für Heimatforscher zu Beginn der 1980er Jahre. Relativ früh kam ich dazu, so dass seine Erfahrungen auch ein Stück meine Erfahrungen sind. Mein "Einstieg" war ein aktueller Blogbeitrag, der die Wissenschaft 2.0 propagierte, eine Wissenschaft, die den Weg zu Menschen wieder gefunden hat. (http://www.academics.de/wissenschaft/zurueck_in_die_zukunft_-_oeffentliche_wissenschaft_2_0_56241.html). Ach so, dachte ich, hat das nicht auch etwas mit unserer Arbeit damals zu tun und es ist wirklich so einfach, wie in dem genannten und anderen Beiträgen zum Bloggen steht? Wir waren damals ja wirklich zu den Menschen gegangen, nicht nur wir beide, sondern viele andere von uns, die Geschichtswerkstätten gründeten oder sich auf "Spurensuche" begaben, wobei sie sich bewußt fern von der etablierten Wissenschaft hielten - was diese ihnen durchaus übel nahm. Wir hatten keine technischen Voraussetzungen nötig, es gab keine Neuerungen in diesem Bereich - die gute alte Schreibmaschine musste ausreichen.
Was unsere Zeit auszeichnete, waren dagegen drei Elemente, die sich eng miteinander verbanden: Zum einen eine Gesellschaft, die verunsichert war durch 20 Jahre Wirtschaftswunder - bzw. das sich drastisch abzeichnende Ende des Wirtschaftswunder, einer Gesellschaft, der die Zukunftsperspektiven abhanden zu kommen schienen und die sich nun dem Kleinräumigen und dem Historischen zuwandte. Die einen trauerten der alten regionalen Industrie nach, die in diesen 1970er Jahren oft in ihren letzten Zügen lag, besonders der Bergbau und die Eisen- und Hüttenindustrie, die große Region über Jahrzehnte getragen hatten. Die anderen entdeckten das Land wieder für sich. Bauern verloren in dieser Zeit zudem den Geruch des Rückständigen, nachdem sie gegen Atomkraftwerke protestiert hatten und nachdem deutlich wurde, dass der Deutsche Bauernkrieg 1525 keineswegs eine folgenlose Episode in der deutschen Geschichte gewesen ist.
Das zweite Element waren wir, einige der Hochschulabgänger dieser Jahre. Entweder waren wir in die Uni gegangen, weil noch Ende der 1960er und zu Beginn der 1970er Jahre Lehrer gesucht wurden - und nun um 1980 im Überfluss vorhanden waren, oder weil einige auf eine Unilaufbahn gehofft hatten - was bis 1975 auch angesichts eines schnellen Ausbaus der Fakultäten ebenfalls leicht möglich war. Nun ab stand alles zur Disposition. Und damit gab es Gründe, nach anderen Wegen zu suchen, etwa in die Gesellschaft hinein zu wirken, was bedeutete, sich auf die Menschen einzulassen, die keine Historiker waren (und auch keine werden wollten, aber Interesse an der Vergangenheit hatten).
Ein drittes Element kam hinzu, nämlich die methodische und theoretische Öffnung der Wissenschaft. Dies bedeutete einerseits die Öffnung hin zur Sozial- und Alltagsgeschichte, andererseits die Entdeckung der mündlichen Überlieferung, und damit die Geschichte der einfachen Leute, die in den staatlichen Akten und den bürgerlichen Erinnerungen nur am Rande erscheinen.
Wir, Carl-Hans Hauptmeyer und ich, hatten eine besondere, als schwer eingestufte Gruppe vor uns, die Heimatforscher. Wir entdeckten sie aber bald als durchaus interessierte und offene Partner. Die Kooperation erfolgte letztlich auf mehreren Wegen: Zunächst über die entsprechenden Vereine, dann über Tagungen, in denen neuere Forschungsergebnisse vorgestellt und diskutiert wurden, dann über reguläre, meist mehrtägige Fortbildungen, schließlich über eigene Veröffentlichungen (den Bausteinen zur Heimat- und Regionalgeschichte). Wir hatten dazu noch einen weiteren Vorteil: Wir waren auf den Gebieten kompetent, auf denen sich die Heimatforscher auch auskannten. Wären wir das nicht gewesen, die ganze Geschichte wäre anders ausgegangen.
Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen bietet einerseits das Web 2.0 faszinierende Möglichkeiten (die nicht wenige Heimatforscher bzw. Vereine für sich schon nutzen), es ist aber dennoch in meinen Augen nur ein Vehikel. Anderes ist wichtiger:
- Die Laienforscher zunächst einmal Ernst nehmen und auf sie zugehen, ihre Fragen und Wünsche überhaupt einmal zur Kenntnis nehmen,
- eigene Vorstellungen und Botschaften haben, also: was haben wir anzubieten? Können wir unsere Kompetenz auch im direkten Gespräch, in der inhaltlichen Auseinandersetzung mit ihnen auch bestätigen?
Eine offene Wissenschaft zu postulieren, ist einfach, darauf zu vertrauen, dass sich alles schon richtig entwickeln wird, wenn die Technik stimmt, halte ich für naiv. Mein Eindruck ist, dass das wissenschaftliche Bloggen eben das bleiben wird, was es derzeit schon ist, ein Austausch zwischen Wissenschaftlern. Wenn es mehr werden soll, müssen wir es mit vielen anderen, zeitaufwendigen und nicht unbedingt prestigeträchtigen Elementen verbinden. Wir haben heute mehr technische Möglichkeiten denn je und das sind wirklich gute Neuigkeiten. Ich glaube aber, dass entscheidender die Einstellungen und die Ziele der Akteure sind. Eine reine Konzentration auf das Netz reicht wohl nicht aus.
Vor ein paar Tagen hatte ich die Aufgabe, über die wissenschaftlichen Anfänge meines Kollegen Carl-Hans Hauptmeyer zu berichten. Es ging vornehmlich um seine Engagement für die Weiterbildung für Heimatforscher zu Beginn der 1980er Jahre. Relativ früh kam ich dazu, so dass seine Erfahrungen auch ein Stück meine Erfahrungen sind. Mein "Einstieg" war ein aktueller Blogbeitrag, der die Wissenschaft 2.0 propagierte, eine Wissenschaft, die den Weg zu Menschen wieder gefunden hat. (http://www.academics.de/wissenschaft/zurueck_in_die_zukunft_-_oeffentliche_wissenschaft_2_0_56241.html). Ach so, dachte ich, hat das nicht auch etwas mit unserer Arbeit damals zu tun und es ist wirklich so einfach, wie in dem genannten und anderen Beiträgen zum Bloggen steht? Wir waren damals ja wirklich zu den Menschen gegangen, nicht nur wir beide, sondern viele andere von uns, die Geschichtswerkstätten gründeten oder sich auf "Spurensuche" begaben, wobei sie sich bewußt fern von der etablierten Wissenschaft hielten - was diese ihnen durchaus übel nahm. Wir hatten keine technischen Voraussetzungen nötig, es gab keine Neuerungen in diesem Bereich - die gute alte Schreibmaschine musste ausreichen.
Was unsere Zeit auszeichnete, waren dagegen drei Elemente, die sich eng miteinander verbanden: Zum einen eine Gesellschaft, die verunsichert war durch 20 Jahre Wirtschaftswunder - bzw. das sich drastisch abzeichnende Ende des Wirtschaftswunder, einer Gesellschaft, der die Zukunftsperspektiven abhanden zu kommen schienen und die sich nun dem Kleinräumigen und dem Historischen zuwandte. Die einen trauerten der alten regionalen Industrie nach, die in diesen 1970er Jahren oft in ihren letzten Zügen lag, besonders der Bergbau und die Eisen- und Hüttenindustrie, die große Region über Jahrzehnte getragen hatten. Die anderen entdeckten das Land wieder für sich. Bauern verloren in dieser Zeit zudem den Geruch des Rückständigen, nachdem sie gegen Atomkraftwerke protestiert hatten und nachdem deutlich wurde, dass der Deutsche Bauernkrieg 1525 keineswegs eine folgenlose Episode in der deutschen Geschichte gewesen ist.
Das zweite Element waren wir, einige der Hochschulabgänger dieser Jahre. Entweder waren wir in die Uni gegangen, weil noch Ende der 1960er und zu Beginn der 1970er Jahre Lehrer gesucht wurden - und nun um 1980 im Überfluss vorhanden waren, oder weil einige auf eine Unilaufbahn gehofft hatten - was bis 1975 auch angesichts eines schnellen Ausbaus der Fakultäten ebenfalls leicht möglich war. Nun ab stand alles zur Disposition. Und damit gab es Gründe, nach anderen Wegen zu suchen, etwa in die Gesellschaft hinein zu wirken, was bedeutete, sich auf die Menschen einzulassen, die keine Historiker waren (und auch keine werden wollten, aber Interesse an der Vergangenheit hatten).
Ein drittes Element kam hinzu, nämlich die methodische und theoretische Öffnung der Wissenschaft. Dies bedeutete einerseits die Öffnung hin zur Sozial- und Alltagsgeschichte, andererseits die Entdeckung der mündlichen Überlieferung, und damit die Geschichte der einfachen Leute, die in den staatlichen Akten und den bürgerlichen Erinnerungen nur am Rande erscheinen.
Wir, Carl-Hans Hauptmeyer und ich, hatten eine besondere, als schwer eingestufte Gruppe vor uns, die Heimatforscher. Wir entdeckten sie aber bald als durchaus interessierte und offene Partner. Die Kooperation erfolgte letztlich auf mehreren Wegen: Zunächst über die entsprechenden Vereine, dann über Tagungen, in denen neuere Forschungsergebnisse vorgestellt und diskutiert wurden, dann über reguläre, meist mehrtägige Fortbildungen, schließlich über eigene Veröffentlichungen (den Bausteinen zur Heimat- und Regionalgeschichte). Wir hatten dazu noch einen weiteren Vorteil: Wir waren auf den Gebieten kompetent, auf denen sich die Heimatforscher auch auskannten. Wären wir das nicht gewesen, die ganze Geschichte wäre anders ausgegangen.
Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen bietet einerseits das Web 2.0 faszinierende Möglichkeiten (die nicht wenige Heimatforscher bzw. Vereine für sich schon nutzen), es ist aber dennoch in meinen Augen nur ein Vehikel. Anderes ist wichtiger:
- Die Laienforscher zunächst einmal Ernst nehmen und auf sie zugehen, ihre Fragen und Wünsche überhaupt einmal zur Kenntnis nehmen,
- eigene Vorstellungen und Botschaften haben, also: was haben wir anzubieten? Können wir unsere Kompetenz auch im direkten Gespräch, in der inhaltlichen Auseinandersetzung mit ihnen auch bestätigen?
Eine offene Wissenschaft zu postulieren, ist einfach, darauf zu vertrauen, dass sich alles schon richtig entwickeln wird, wenn die Technik stimmt, halte ich für naiv. Mein Eindruck ist, dass das wissenschaftliche Bloggen eben das bleiben wird, was es derzeit schon ist, ein Austausch zwischen Wissenschaftlern. Wenn es mehr werden soll, müssen wir es mit vielen anderen, zeitaufwendigen und nicht unbedingt prestigeträchtigen Elementen verbinden. Wir haben heute mehr technische Möglichkeiten denn je und das sind wirklich gute Neuigkeiten. Ich glaube aber, dass entscheidender die Einstellungen und die Ziele der Akteure sind. Eine reine Konzentration auf das Netz reicht wohl nicht aus.